
Stillen ist für viele Mütter eine der innigsten Erfahrungen mit ihrem Kind. Voller Nähe, Geborgenheit und Verbundenheit. Doch was passiert, wenn diese vertrauten Momente plötzlich von körperlichem Unbehagen oder sogar Abneigung begleitet werden? Ich möchte in diesem Beitrag über ein Thema sprechen, das selten offen behandelt wird: Stillaversion und meine ganz persönliche Erfahrung damit.
Was wollte mir mein Körper sagen?
Stillen war für mich lange ein ganz selbstverständlicher Teil unseres Alltags, ein sicherer Ort zwischen meinem Sohn und mir, voller Nähe, Trost und Vertrautheit. Doch plötzlich, nach etwa 15 Monaten stillen, fühlte sich etwas anders an.
Ohne jede Vorwarnung überkam mich beim Stillen ein körperliches Gefühl, das ich kaum greifen konnte: ein Kribbeln, das in der Brust beginnt und sich wie ein Stromstoß durch den ganzen Körper zieht (unangenehm, fast wütend). Es war, als würde mein Körper sich gegen die Nähe wehren, die mein Herz eigentlich möchte.
Ich lag da, das Kind an der Brust, und ich spürte statt Geborgenheit: Anspannung. Reizbarkeit. Ablehnung. Gefühle, die ich nicht haben wollte, schon gar nicht ihm gegenüber. Ich fragte mich:
Was stimmt nicht mit mir? Ist das Erschöpfung? Hormonell? Oder der Beginn eines inneren Umbruchs?
Es war keine Abneigung gegen mein Kind. Es war eine Art Kurzschluss in mir.
Ein dringendes körperliches „Nein“, wo mein Kopf noch „Ja“ sagt.
Und genau das machte es so schwer zu ertragen.
Geht es anderen auch so?
In meiner Verzweiflung begann ich zu recherchieren. Und dann stieß ich auf etwas, das mir das erste Mal das Gefühl gab: Ok, ich bin nicht allein.
Eine große Umfrage aus Australien beschreibt das Phänomen Stillaversion ganz genau. Über 5.000 stillende Mütter wurden befragt und jede fünfte von ihnen hatte ähnliche Erfahrungen gemacht wie ich.
Was mich dabei besonders berührte: Nicht die Statistik an sich, sondern die Worte der Frauen.
So viele beschrieben genau dieses Gefühl: Ein plötzliches Unwohlsein. Das Bedürfnis, sich aus der Situation zu lösen. Manchmal sogar Ekel oder Wut.
Ich las von Müttern, die schrieben:
„Ich wollte mein Kind wegstoßen – und wusste gleichzeitig, dass ich das nicht will.“
„Mein Körper schrie Nein, obwohl mein Herz Ja sagte.“
„Es ist, als kriecht etwas unter meiner Haut – und ich kann nicht weg.“
In diesen Worten erkannte ich mich selbst wieder.
Und sie trösteten mich, weil ich erkannte: Ich bin nicht falsch. Ich bin nicht undankbar. Ich bin nicht allein.
Kann man was dagegen tun?
Das Lesen all dieser Stimmen hat mir nicht nur Trost gegeben, sondern auch Mut gemacht, selbst weiter nach Wegen zu suchen. Wege, wie ich mit diesen Gefühlen umgehen kann – ohne gleich unsere ganze Stillbeziehung infrage zu stellen.
Ich bin auf verschiedene Tipps gestoßen, von Müttern, Stillberaterinnen, aus Artikeln und Foren.
Was oft empfohlen wird:
- Ablenkung: Musik hören, etwas in der Hand halten, ein Hörbuch anmachen
- Bewusstes Atmen oder Zählen während des Stillens
- Haltung wechseln oder kurz aufstehen
- Non-nutritives Saugen begrenzen, wenn möglich
- Offen mit dem Kind sprechen, altersgerecht und liebevoll
- Austausch mit anderen Betroffenen
Das war mein Weg
Bei mir zeigte sich die Stillaversion fast ausschließlich nachts. Tagsüber war ich beschäftigt, abgelenkt, in Bewegung. Aber in der Stille der Nacht, wenn alles ruhig ist, spürte ich meinen Körper umso deutlicher und dann kam es wieder, dieses Kribbeln, diese Reizung, diese Abwehr.
Was mir tatsächlich ein wenig Erleichterung verschafft hat, war nicht mehr im Liegen zu stillen, sondern mich bewusst aufzusetzen. Diese aufrechte Haltung, verbunden mit dem bewussten Akt des Stillens, hat mir geholfen, etwas Abstand zu der körperlichen Überwältigung zu gewinnen. Auch das Licht anzuschalten, zumindest ein kleines Nachtlicht, hat einen Unterschied gemacht. Es holte mich aus diesem halbbewussten Zustand heraus, in dem das Gefühl besonders stark auftrat.
Aber – und das ist wichtig zu sagen – das linderte das Gefühl nur. Es machte es leider nicht ganz weg.
Trotzdem tat es gut, überhaupt etwas in der Hand zu haben, das ich aktiv verändern konnte.
Ich versuchte mich auch mit Meditationen oder bewusstes Hineinspüren abzulenken, aber das machte es bei mir eher schlimmer. Es fühlte sich dann an, als würde ich dem Gefühl noch mehr Raum geben.
Ich fragte mich oft: Warum gerade jetzt? Warum bekomme ich dieses Gefühl nach all den Monaten, in denen das Stillen so selbstverständlich war?
Nach meinen Recherchen betrifft die Stillaversion viele: Erststillende, Schwangere, die noch stillen, Tandemstillende und viele weitere. Vielleicht liegt es also einfach am langen Stillen? Oder bin ich mental zu sehr belastet? Oder – und das kam mir erst später – hat es mit unserem zweiten Kinderwunsch zu tun?
Ich wollte das Stillen nicht beenden. Noch nicht.
Es war ein Auf und Ab. Diese Gefühle kamen immer wieder. Manchmal stärker, manchmal weniger stark.
Und ich fragte mich: Braucht es eine Veränderung? Aber welche?
Abstillen? Pausieren? Ein neues Ritual?
Ich weiß nur: Ich möchte, dass unser liebevolle Stillbeziehung nicht mit Frust endet.
Sondern mit einem gemeinsamen, sanften Übergang – wann auch immer der richtige Zeitpunkt dafür ist.
Ein Abschied in Liebe
Vielleicht ist genau das die Lektion dieser Erfahrung:
Dass Nähe und Selbstfürsorge sich nicht ausschließen. Dass Liebe auch bedeutet, sich selbst zu hören.
Stillaversion ist kein Zeichen von Schwäche. Für mich war es ein Ruf meines Körpers nach Veränderung.
Ich wusste nicht, wann der richtige Zeitpunkt zum Abstillen kommen würde.
Vielleicht würde es sich irgendwann einfach klar anfühlen. Vielleicht würden wir es gemeinsam spüren – wie wir einst den richtigen Moment für den Stillbeginn gespürt haben.
Und bis dahin?
Gingen wir Schritt für Schritt. Mit Geduld. Mit Ehrlichkeit. Mit Liebe.
Und du?
Kennst du dieses Gefühl auch?
Hast du ähnliche Gedanken oder ganz andere Erfahrungen gemacht?
Stillen ist so viel mehr als Ernährung. Es ist eine Beziehung. Und jede Beziehung darf sich verändern.
Wenn du wissen möchtest, wie unsere Stillgeschichte weiterging, findest du mich auf Instagram oder schau einfach bald wieder hier vorbei.
Liebe Grüße,
Maria